Yamaha 9000 Pro: Kein Champ! (Fortsetzung)

Na da hast Du aber schnell und ausführlich geantwortet. Ich hatte eigentlich überhaupt kein Statement erwartet. Bin nur zufällig auf diese Internetseite gelangt und dachte halt: "Gibst auch mal deinen Senf dazu!"

Grundsätzlich stimme ich Dir zu. Jeder nutzt das Gerät auf eine andere Weise und hat somit andere Wünsche oder Vorstellungen.

Zweifelsfrei sind die Sounds bei den 9000´ern besser als bei Technics. Ich habe noch ein Technics KN 2000. Da ist der Soundvergleich natürlich besonders deutlich. Die neueren Modelle KN 6000/6500 sind da schon um einiges besser. Es gibt bei Yamaha Sounds, die saugut sind und welche, die nicht so überzeugen. Bei den heutigen Technicsgeräten ist das nicht anders. Einen echten Vergleich hat man nur, wenn man beide Geräte nebeneinander testen kann. Die Sounds des Yamaha waren ja eine der primären Kaufentscheidungen für mich.

Du benutzt die 9000'er vorwiegend in einer Bandbesetzung; quasi als Sythi. Da gelten natürlich andere Massstäbe. Ich habe ja extra betont, dass meine Kritiken aus der Sicht des Alleinunterhalters auf der Bühne zu betrachten sind. Da gelten eben andere Kriterien.

Stehen oder sitzen auf der Bühne? O.K., Du spielst nicht alleine auf der Bühne. Es agieren noch weitere Musikerkollegen, die etwas Bewegung und Leben auf die Bühne bringen. Bei einem Alleinunterhalter ist das etwas anders. Wenn ich sitzen würde, wäre ich hinter dem Instrument fast nicht mehr zu sehen, und etwas zur Musik mit dem "Arsch" wedeln ist da auch nicht mehr drin. Der Kontakt zum Publikum ist dann völlig abgebrochen. Stehend bin ich doch wenigstens ab der Gürtellinie aufwärts vom Publikum noch auszumachen und meine Gestik und Mimik kommt doch wenigstens etwas rüber. Natürlich habe auch ich dabei Schweller und Pedale zu bedienen. Um dabei nicht umzufallen, benutze ich so eine Stehhilfe; ein Gestell mit Fahrradsattel. Das Ding ist so hoch, dass man glaubt ich stehe. Ist jedenfalls besser, als Sitzen, oder sieht zumeindest besser aus.

Dass Yamaha jetzt eine Festplatte beilegt, sollte keine Kritik sein. Ist ja positiv. Lässt aber darauf schliessen, dass Absatzzahlen nicht mehr so hoch sind, weil die Leute merken, dass der vermeintliche Champ eben noch keiner ist. Gebrauchte 9000´er sind in grösserer Zahl angeboten als KN 6500. Das muss ja an irgendwas liegen.

Von einem Spitzenkeyboard (Champ) - und vom Preis her ist es das ja auch - erwarte ich, dass man dort bewährte Dinge wieder findet, ohne dabei nun gleich andere Marken vollends zu kopieren. MFC 10 ist das Letzte, was man erfinden konnte (Fred Feuerstein lässt grüssen!). Controllspur erfüllt den gleiche Zweck, bei Technics schon seit mehr als 10 Jahren, und das noch viel preiswerter und effektiver. Stell Dir vor, du kaufst ein neues, mit modernster Regeltechnik ausgestattetes Auto. Und statt des seit Jahrzehnten bewährten Anlassers ist da eine Kurbel zum anleiern beigelegt. Na das kann´s doch wohl nicht sein. Es ist zweifellos richtig, dass andere Marken auch ihre Macken haben. Aber das ist doch keine Berechtigung, dass ein Champ die gleichen Macken hat. Einen Champ sollte ja gerade auszeichnen, dass er besser ist als die anderen. Man kann sich doch nicht am Negativen anderer orientieren. Da entwickeln wir uns ja rückwärts.

Controlspur, was ist das? Bei Technics gibt es das Ding schon seit der KN 1000; also schon ein alter Hut. Eine Controlspur ist eine "Stumme Spur", auf der alle, aber auch wirklich alle Keyboardbedienungen aufgezeichnet werden (Intro, Start/stop, Fill-In, Soundwechsel, Stylewechsel, Tempowechsel, Transpose, Weiterschaltung Memory, Pitchbend, und, und ,und). Das ganze aber im Stylemodus, also mit greifen der Akkorde in der linken Hand. Manche sagen, da kannst Du ja gleich ein Midifile reinlegen. Das ist aber nicht so, denn ein Midifile läuft völlig stur mit immer den gleichen Akkorden etc. ab. Bei einer Controllspur ist lediglich der Ablauf des Stückes vorgegeben. Also wenn der Vers 16 Takte hat, dann kann man eben keine 15 oder 17 spielen. Wäre ja auch unsinnig. Na und in einer Band muss man sich ja auch an den Ablauf halten. Da kann nicht einer 16 Takte spielen und der andere nur 15. Nach dem Motto: "Wer zuerst fertig ist, hat gewonnen!" Die Controlspur sorgt dafür, dass an der entsprechenden Stelle ein Fill-In, Soundwechsel oder sonst was kommt. Als Keyboarder musst Du dich da nicht mehr drum kümmern. Wie in einer richtigen Band. Da musst Du dich auch nicht um das Fill-In des Drummers kümmern; das macht der von ganz alleine. Aber dadurch dass Du im Stylemodus spielst, kannst Du bei jedem Vortrag andere Akkordvarianten, andere Soli etc. spielen. Also kreatives Spiel wird durch die Controlspur in keiner Weise beeinflusst. Die Controlspur macht dich als Alleinunterhalter frei von Bedienerei und erlaubt dir, auch mal mit dem Publikum während des Vortrages zu blödeln, ohne gleich raus zu kommen, auch wenn's mal etwas schwieriger wird. Wie sieht das in der Praxis aus? Bei Technics Titeleinstellungen laden und spielen mit beiden Händen. Du brauchst kein Intro, Start, Fill-In, Ending etc. mehr bedienen. Ist alles sofort da und kommt alles an der richtigen Stelle. Sehr hilfreich bei schnellen, lateinam. Stücken, wo zwischen den Songteilen oft keine Pausen für Keyboardschalterei sind (z.B. Cavaquino - sehr schnelle Samba). Auch gut bei Stücken mit schwierigen und schrägen Akkorden, die man seltener spielt und bei denen man sich doch sehr auf das Spielen konzentrieren muss, besonders dann, wenn auch noch Gäste während des Vortrages Dir ein Gespräch aufdrängen. Da ist man ganz schnell raus! Wie gesagt, man ist nur an den Ablauf des Stückes gebunden. Na und sollte es mal erforderlich sein, bei einer tollen Stimmungsnummer einen Refrain mehrmals zu wiederholen, so ist mit einem Tastendruck die Controlspur ausgeschaltet. Zugegeben, die von Dir genannten Musiker (Baartmanns u. Fleury) können das auch ohne Controlspur. Nur sind eben die wenigsten Käufer eines Keyboards solche hervorragenden Musiker und haben auch nicht die Zeit, sich 24 Std. am Tag mit Musik zu befassen. Die grosse Masse der User Kauft sich ja ein solches Gerät, um über entsprechende Spielhilfen zu verfügen.

Die Kaufentscheidung für dieses Gerät ist im vergangenem Jahr auf der Messe gefallen. Dass das 9000 PRO keine Controlspur wie bei Technics hat, habe ich schon gewusst. Aber die "Fachleute" am Yamaha-Stand versicherten mir, dass auf den RM alle Einstellungen des sogenannten vorderen Bedienfeldes abzuspeichern wären. Das würde bedeuten, ich nehme alle Einstellungen vor, auch Intro, Start, Fill-In, Break, Ending, Multipad etc. und speichere diese z.B. auf einem RM 1. Auf RM 2 speichere ich andere Stylevariation und andere Sounds mit einem Fill-In. Nun müsste bei Abruf von RM 1 alles wieder wie abgespeichert da sein. Ist aber nicht so, denn Intro und Start musst Du neu drücken; wird nicht mit abgespeichert. Drückst Du dann an entsprechender Stelle auf RM 2, dann müsste das abgespeicherte Fill-In losklappern, das gespeicherte Multipad zu hören sein etc. Geht aber auch nicht, weil Fill-In und Mulipad nicht mit gespeichert werden. Fill-In und Multipad müssen extra gedrückt werden. Also nicht ein Tastendruck, sondern mindestens drei, was bei schnellen Stücken oft nicht machbar ist. Ich bin von den "Yamahafachleuten" schlichtweg belogen worden, denn es lassen sich eben nicht, wie zugesagt, alle Einstellungen des vorderen Bedienfeldes auf den RM-Plätzen speichern. Ich kann davon ausgehen, dass Yamaha auf die weltgrösste Musikmesse nicht gerade Aushilfskräfte stellt. Also hat man mich dort bewusst belogen, um einen möglichen Interessenten als Käufer zu gewinnen, was ja auch geklappt hat. Alle Anfragen zu dieser Sache per Brief, Fax, E-Mail an Yamaha blieben unbeantwortet. Na und das stinkt mir gewaltig! Als bisheriger und auch jetzt noch teilweise Technicsspieler habe ich auch schon einige Anfragen an Technics in Hilden gerichtet. Davon blieb aber auch nicht eine einzige unbeantwortet!

Also zu einem echtem Champ ist es bei Yamaha noch ein weiter Weg. Das Yamahakonzept ist: Alte Technik neu verpackt, mit Grundausstattung zum hohen Preis. Stylespeicher zu klein, Samplespeicher zu klein, langsame Festplatten u. Datenverwaltung, wenig Sounds gegenüber der Konkurrenz etc. O.K. zum Teil erweiterbar; allerdings zu völlig überhöhten Preisen. Soundkartenerweiterungen für 550,00 DM/Stk., Speicher für Sampler viel zu teuer. Festplatte bei Yamaha (4,2 GB) rund 400 DM; reicht gerade für 2 Partitionen. Ich habe eine von der Computerbörse (6,8 GB IBM) für 85,00 DM; reicht für 3 Partitionen. Wenn Du das Gerät aufrüsten möchtest, um alle Features zu nutzen, so geht unter 10 000 DM (5 000 EUR) praktisch nichts. O.K., bei anderen Herstellern ist es zum Teil ähnlich. Aber man muss sich ja nun weiss Gott nicht die schlechteren als Massstab und Vorbild nehmen, wenn man ein Champ sein möchte!

Ich kann abschliessend nur wiederholt feststellen, dass der Kauf des 9000 PRO aus der Sicht eines Alleinunterhalters ein Fehlkauf war. Ist wohl auch der Grund, dass einige Kollegen vom 9000´er wieder zu Technics gewechselt haben. O.K., die Sounds mögen bei Yamaha eine Nyance besser sein, aber das Publikum hört das auf keinem Fall heraus, wenn nicht beide Geräte gleichzeitig zum Einsatz kommen. Das Technics hat eben Dinge, die besonders der Alleinunterhalter sehr zu schätzen lernt, der noch vorwiegend im Stylemudus spielt. Für Midi-Dj´s ist das Yamaha natürlich unschlagbar. Na und dass das Technics gegenwärtig noch keinen Sampler hat, damit kann man leben. Bringt das Gerät doch von Haus aus schon mehr als 1100 Voices mit. Da wird doch wohl immer einer dabei sein, der passt. Im übrigen wird wohl die Mehrzahl der 9000´er-Kunden den Sampler ohnehin nie benutzen.

Genug gemeckert! Wie müssten zukünftige Keyboards aussehen? Alle Hersteller sollten sich auf einen gewissen Standard einigen. So wie beim Auto. Da sind eben solche grundlegenden Dinge, wie Lenkrad, Kupplung, Bremse, Gas, Handbremse, Tacho etc. an der gleichen Stelle. Mit jedem neuen Auto kannst Du sofort fahren, ohne neu lernen zu müssen. So muss es auch beim Keyboard sein. Alles wichtige ist bei jedem Keyboard an der gleichen Stelle und sieht auch ähnlich aus. Da stellen sich Erfolge auch entsprechend schnell ein. Es müsste, wie beim Auto, Grundmodelle geben. Extras kann man sich nach Bedarf dazu wünschen oder später nachrüsten (Baukastenprinzip). Jeder kann dann sein Equipment seinen Bedürfnissen anpassen. Was will der Opa im Wohnzimmer, der nicht mal einen Computer hat, mit einem Sampler oder anderen Features. Muss er mit kaufen, braucht's aber nie. Das Baukastenprinzip wird in der Möbelbranche schon immer verwendet und beschert dieser beste Umsätze. Dort kannst Du deine Küche zusammen stellen, wie Du möchtest. Und wenn Du passende Teile nach kaufen möchtest, dann musst Du zum gleichen Möbelhändler oder Hersteller gehen. Vor allem würde es z.B. Yamaha Usertreue bescheren. Ist man doch mit den Erweiterungsbausteinen an eine Marke gebunden.

Zweifellos ist ein 9000 PRO kein schlechtes Gerät, aber auf keinem Fall schon ein Champ. Und auf dem neuesten Stand oder heute machbaren schon gar nicht. Das Gerät erfüllt nicht das, was im Prospekt und von den Yami's suggeriert wird. Leider wird auf diese Macken in den Testberichten (Tastenwelt) auch nicht eingegangen.

Im übrigen ist die Benutzung einer Controlspur bei Technics kein muss. Du kannst selbstverständlich frei wählen, bei welchen Stücken sie eingesetzt wird. Also wer sie nun wirklich nicht benutzen möchte, den stört sie auch nicht. Habe dazu im Forum von Yamaha schon arge Diskussionen erlebt. Da gibt es regelrechte Yamaha-Fetischisten. Die tragen die Scheuklappen so, dass sie überhaupt nicht merken, dass andere Mütter auch schöne Töchter haben. Die sind hoch des Lobes, weil es in den neuen Updates möglich ist, mittels eines weiteren Splittpunktes eine zusätzliche Voice zur Verfügung zu stellen. Tolle Leistung?!. Ist doch eine andere Voice gerade mal einen Tastendruck weit entfernt gewesen. Also einen Tastendruck bringt man nun wirklich noch fertig, sogar ich! Aber eine Controlspur, die alle Tastendrücke abnimmt, und dabei noch solche, wo mehrere gleichzeitig an einer Stelle vorzunehmen sind, halten die gleichen User für Blödsinn. Am besten konnten das natürlich diejenigen beurteilen, die weder eine Controlspur kennen und noch nie damit zu tun hatten. Was soll man dazu sagen.

War nett, mit Dir gefachsimpelt zu haben.

Horst Schlutter


Christian Deinhardt antwortet:

Deine Ausführungen haben mich wirklich sehr interessiert und habe mich auch über diese ehrliche Kritik gefreut ! Seit langem mal wieder etwas mit Hand und Fuss.

Du musst wissen, dass ich habe bis Ende letzten Jahres als tel. Hotline für einen MidiFile-Anbieter arbeitete. Was man da so zu hören bekommt ...

Übrigens: Das Problem mit Yamaha ist auch mir bekannt. Anfragen werden schlicht und ergreifend nicht beantwortet und in die Tonne getreten. Das ist wirklich ein Elend.

Zum Stehen bei Spielen: Von der Seite hatte ich das noch gar nicht betrachtet. Ist aber ein überzeugendes Argument. Was man nicht so alles für das Publikum machen muss.

Viele Grüsse und vielen Dank für diesen interessanten Gedankenaustausch.


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