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NAB 2001

Alle Jahre wieder
Apple
DVD-R für alle
Neuheiten
Nothing Real
Ausklang
Alle Jahre wieder, so auch im April 2001, trafen sich die Broadcast-Leute aus aller Welt in Las Vegas, um sich unter anderem über die neusten technischen Entwicklungen in ihren Gebieten informieren zu lassen und sich gegenseitig mit neuen Ideen zu befruchten.

Über die NAB-Convention (www.nab.com), deren Organisation, Ausstellungshallen usw. finden Sie Einzelheiten in meinem ersten Artikel. Hier konzentriere ich mich ausschliesslich auf Neuheiten und Trends, die ich für Musiker, Videografen und Multimediainteressierte als interessant erachte.

Auch in diesem Jahr war alles nochmals grösser: Mehr Aussteller, in mehr Hallen, mehr Besucher mit erweiterten Interessen … Und obgleich es offiziell eine Messe für Profis ist – Konsumergeräte werden kaum ausgestellt – verwischen sich auch in diesem Sektor die Grenzen zwischen Professional und Consumer immer mehr. Blue ScreenTrotzdem: Für eine wirklich studiotaugliche TV-Kamera muss nach wie vor mindestens das 100fache eines digitalen Consumer-Camcorders hingeblättert werden, und eine professionelle Videonachbearbeitungseinrichtung kostet immer noch mehrere 100'000 Dollar.

Bluescreen-Technik ist zwar nichts Neues, aber der Live-Einsatz und die Möglichkeiten sind immer wieder faszinierend - eine der ersten Möglichkeiten, virtuelle Umgebungen zu schaffen.

Doch ganz eindeutig zeigen diverse Trends nach unten, zumindest was den Preis betrifft. Denn da auch im Videobereich das Internet eine immer grössere Rolle spielt, nimmt die Bildqualität eine geringere Rolle ein. Und dann haben auch die Broadcastfirmen gemerkt, dass sie mit für den Massenmarkt konzipierten "Abfallprodukten" ebenfalls viel Geld verdienen können – die Analogie zum Musikmarkt ist nicht zu übersehen.

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Trendsetter Apple

Man kann von Apple (www.apple.com) denken, was man will, der "Zwerg" aus Cupertino, der vor zwei Jahren mit FireWire und iMovie die "digitale Videorevolution" einläutete, setzt auch dieses Jahr wieder einen Markstein mit dem ersten DVD-Brenner-Computer, der es ermöglicht, die selbstgemachten Videofilme kostengünstig auf DVD-Rs zu brennen, Scheiben, die in (fast) jedem Heimplayer abspielbar sein sollen. Und wiederum werden zwei Software-Varianten angeboten: Für den iMovie-Heimvideografen wird dem Topmac, der in den USA gerade mal 3500 US$ kostet (DVD-Brenner inbegriffen) das einfach zu handhabende iDVD beigelegt – Einschränkung: Es kann nur 60 Min. Video pro DVD gespeichert werden. Titanium PowerBookFür den Final Cut Pro User, den HiEnd-Amateur oder Profi also, gibt es DVD Studio Pro (999 US$), das alles bietet, was zum Herstellen einer perfekten und vom technischen Standpunkt aus professionellen DVD-Scheibe notwendig ist (2 Std. Mpeg-2-Video pro Scheibe). Selbstverständlich ist es wie bei der Video-Produktion: Die künstlerische Qualität kann von der Software nicht garantiert werden.

Neben dem DVD-R-Mac war natürlich das Titanium Powerbook mit FinalCutPro 2 das meistbestaunte Stück am Apple-Stand.

Zusammen mit Final Cut Pro 2 (das mich allerdings nicht von den Socken haute, da es gerade im Audiosektor immer noch Schwächen aufweist, die mit einer Spezialedition von Peak gemildert werden sollen) wurde auch Quicktime 5 eingeführt, das – nicht zuletzt dank der neuen MPEG 4-Norm – von vielen der Anwesenden als klarer Favorit für einen endlich zu ernennenden Internet-Videostandard angesehen wird.

Da Apple den DVD-Schritt schon vor zwei Monaten öffentlich kund tat, hatten die Konkurrenten vom Intelsektor natürlich genügend Zeit, rechtzeitig zur NAB ihre Visionen und Versionen von DVD-Authoring zumindest anzukünden. Von den Hardware-Herstellern ist jedoch einzig Pioneer im DVD-R-Sektor wirklich aktiv.

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DVD-R für alle

Dass es nun, da einer (oder zwei) die Sache ins Rollen brachten, nur eine Frage der Zeit sein wird, bis DVD-R und damit sämtliche DVD-Formate für den Konsumenten erschwinglich und zugänglich werden, können wir noch in diesem Jahr, aber vor allem für 2002 mit einer DVD-Lawine rechnen, wie wir sie von der CD-R noch in wärmster Erinnerung haben. Pioneer DVD-R

Ein schneller DVD-Brenner für unter 1000 US$ gilt momentan schon als kleine Sensation - Pioneer macht's möglich!

Bei Pioneer New Media Technologies (www.pioneerelectronics.com) waren auch zwei Standalone Consumer DVD-Brenner zu bewundern, die neben dem Firewire Anschluss für alle übrigen Konsumereventualitäten gerüstet sind. Deshalb ist es verständlich, dass die Industrie (Hollywood), noch die Napster-Wunden leckend, aufheulte und die DVD-Massenverbreitung mit allen Mitteln verhindern oder verzögern möchte (was ihr ja zumindest für ein paar Jahre gelungen war!).

Überhaupt spielt die Software-Industrie eine nicht immer rühmliche Rolle, wenn es um neue Technologien geht: Was damals dem DAT als Consumergerät den Rest gab, die gerichtlich verhängte Auslieferungsverzögerung, wird in leicht veränderter Form immer wieder versucht, die DVD-Ländercodes (in den USA strikte durchgezogen!) ist nur eines von vielen Beispielen. Interessant ist auch, dass diverse Camcorderhersteller nun offiziell auch PAL-Modelle in den USA anbieten, da die Filmstudios aus diversen Gründen (bessere Farbqualität, grössere Auflösung, 25 Bilder/sec) lieber in PAL drehen. Doch das geht, "dank" neuen Regulationen der FCC, nur durch eine Hintertür (ich verschone Sie mit den Details).

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Weitere Neuheiten

Verglichen mit den letzten Jahren waren (analog zur NAMM im Musikaliensektor) wirkliche Neuerungen eher dünn gesät. Hitachi (www.hitachi.com) stellte den ersten DVD-Camcorder vor: Auf einer wiederbeschreibbaren 8 cm kleinen DVD-RAM-Scheibe können pro Seite bis zu einer Stunde digitale Videobilder im MPEG-2 Format, also in DVD-Qualität, aufgezeichnet werden. Dass diese Technologie mit der Zeit die DV-Kassette ablösen könnte, leuchtet ein, bietet doch der Random Access einer Scheibe wesentliche Vorteile gegenüber dem Medium Band. Doch wird es aus Kompatibilitätsgründen noch einige Zeit dauern, bis es so weit ist.Computer Class

Eine tolle Sache: Zwei unabhängige Schulungsfirmen boten während der Messe halbstündige Gratisklassen an, bei denen man gleich mittun konnte - jeder Teilnehmer am eigenen Mac. Der Ansturm war riesig.

Rolands Töchterchen Edirol (www.edirol.com)stellte einen Standalone Video-Nachbearbeiter für DV vor. Vor allem für Computerscheue die ideale Lösung, doch finde ich persönlich den Preis mit 5900 US$ zu hoch angesetzt, da man für diesen Betrag bereits den DVD-R-Mac inkl. Final Cut Pro erhält, der dann doch einiges mehr zu bieten hat.

Die Software Firma Synthetik (www.synthetik.com) zeigte den Studio Artist, ein Programm, dass es auch künstlerisch untalentierten ermöglicht, einen ganzen Film in einen Zeichentrickfilm oder "gemalte Kunst" zu verwandeln. Die Resultate waren grossartig: 30-Sekunden Nachrichten-Ausschnitte erhielten eine völlig neue Dimension.

Wie immer war der Zulauf bei Adobe (www.adobe.com) riesig, doch schien er mir dieses Jahr noch grösser, stellte die Firma doch neben dem neuen, wirksam und gelungen überarbeiteten Premiere 6 auch After Effects 5 vor, deren Demonstration selbst die letzten Zweifler überzeugte. Zu Premiere ist noch zu sagen, dass hier die Windows-User mit diversen Zusatzprogrammen (u.a. dem superben TitleExpress von Inscriber www.inscriber.com) besser bedient werden als die Macianer.

Die Tage (oder sagen wir vorsichtigerweise Jahre) der Bandaufzeichnung scheinen auch im Videosektor gezählt: Mit den diversen HD-Recordern und Systemen wie Tivo verpasst der Fernsehfreak keine Sekunde seiner geliebten Sendungen mehr und kann diese erst noch anschauen, wann er oder sie will. Und die lästige Unterbrecherwerbung kann zuusätzlich direkt ausgefiltert werden. Doch dies schafft wiederum neue Probleme: Wer finanziert denn nun die Sendungen? Steuern wir einer ausschliesslichen "Pay per view"-Zukunft entgegen? Oder werden die Werbemitteilungen mehr oder weniger unauffällig in den Spielfilm oder die Soapopera integriert, wie es ja schon lange gang und gäbe ist?

Dass Audio ein wichtiger Bestandteil des Multimediakuchens darstellt zeigte auch die Tatsache, dass auch die Avid Tochter Digidesign und erstmals Steinberg (ausschliesslich mit Nuendo) an der NAB einen Stand hatten.

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Nothing Real

Nothing Real

Es war ja effektiv eine Firma gleichen Namens (www.nothingreal.com), die mich zum Titel dieses Artikels inspirierte, denn beim Durchschreiten der Hallen, vor allem im Sands, fragte ich mich noch vermehrt als in früheren Jahren, ob denn ob all der virtuellen Welten die Menschen in den Industrienationen, die laut Statisik 71 % ihrer Freizeit vor einem oder zumindest in der Nähe eines laufenden Fernseher verbringe, die Verbindung zur Wirklichkeit überhaupt noch herstellen können. Der mehrheitlich unterbewertete (da finanziell nicht sonderlich erfolgreiche) Hollywoodstreifen "Wag the dog" hatte ja schon gezeigt, wie man "Nachrichten" macht. Und mit der momentanen Technik, schnellen Computern und ausgeklügelter Software, ist es wirklich ein Kinderspiel, Illusionen für den Bildschirm so zusammenzubauen, dass sie für bare Münze genommen werden könnten. Und gerade in den USA wird die Grenze zwischen Nachrichten und Unterhaltung ohnehin immer fliessender.

MIDI InstrumenteEine echte Bastelei, die man sich als Attraktion nach Mass zusammenstellen lassen kann: MIDI-gesteuerte, echte Instrumente.

Doch halt, aus einer leicht zu übersehenden Ecke erklang Musik! Und nicht etwa aus Lautsprechern, sondern Klänge aus echten Instrumenten! Konnte es sein, dass jemand in all dieser Virtualität doch noch etwas Natürliches vorführte? Wirklich: In minutiöser Kleinarbeit hatte Ken Caulkins, Gründer und Inhaber von Ragtime Automated Music (www.ragtimewest.com) ein Klavier, akustische Gitarren, einen E-Bass, ein Banjo und diverse Schlagzeugteile so zusammengebaut, dass sie von mechanischen Automaten "gespielt" werden können. Die Töne oder Akkorde werden effektiv auf dem Griffbrett gedrückt, die Saiten über dem Schallloch angeschlagen resp. gezupft. Und: Das ganze geschieht über MIDI! Es war das erste Mal, dass ich ein MIDI-gesteuertes Orchester mit echten Instrumenten sah!

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Ausklang

Ist es ein Zufall, dass die NAB seit Jahren in Las Vegas durchgeführt wird? Ich glaube kaum! Denn Las Vegas selbst ist ja ein "vorgaukeln falscher resp. nicht vorhandener Tatsachen" mit seinem Eiffelturm, der Freiheitsstatue, den Gondolieri im Canale Grande, der Pyramide mit den virtuellen Pharaonen, Fassaden, hinter denen sich nichts weiter als Casinos mit einarmigen Banditen Spieltischen und Shows verbergen. Nicht dass ich etwas gegen Las Vegas hätte! Bewahre, nein! Aber ich bin froh, wenn ich nach drei, vier Tagen wieder auf dem Freeway nach rund fünf Stunden Fahrt Santa Monica erreiche, mich in den Sand setzen und mich an den wirklichen Wellen des echten Pazifik, den lebendigen Möven und Pelikanen und ab und zu sogar an ein paar Delphinen erlaben kann.

Welle

Christian Hunziker

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