NAB 2002

Grösser
Recordable DVD
Royalty free
Software
Schöne virtuelle Welt
Schlussgedanken
"The world's largest Electronic Media Show" fand einmal mehr in Las Vegas statt. Und da die Stadt des Lasters (Sin City) und des trockenwarmen Wüstenklimas immer mal wieder eine viereinhalbstündige Autofahrt wert ist, wollten wir wissen, was denn in diesem Jahr die Welt der elektronischen Medien verbessern könnte.

Grösser

Wie erwartet war auch die diesjährige NAB grösser als alle bisherigen, nicht zuletzt, weil die neue Südhalle des Convention Centers nun ebenfalls integriert wurde. Trotzdem wurden die Räumlichkeiten im Sands beibehalten – eine meiner Ansicht nach mühsame Sache, da die "Reise" vom Sands zum Convention Center per Pendelbus eine Stunde beanspruchen kann.

Mit der Belegung der Hälfte des oberen Stockwerks der Südhalle hatte Sony gleich seine Marktdominanz im Videosektor auch visuell bekräftigt, und dies ausschliesslich mit professionellen Produkten. Die Ausstellfläche des Giganten benötigt eigene Informationspanels, damit sich Besucher sowie Sonyvertreter zurechtfinden können.

Die neue, 2stöckige Südhalle des Convention Centers war dem Thema Video gewidmet.

Die Konkurrenten (Panasonic, Canon usw.) hatten ihre alten Positionen in der mittleren Halle behalten, und auch die Audiovertreter waren an ihren gewohnten Standorten in der Nordhalle zu finden.

Wenig "Neues"

Es gibt Jahre, in denen echte Neuheiten eher dünn gesät sind. Und 2002 scheint zumindest im Broadcast- und Videosektor ein solches zu sein, wurde die diesjährige NAB kaum für "sensationelle Erstpräsentationen" benützt. Deshalb konzentriere ich mich wieder auf die paar Rosinen, die für Musiker und Videographen interessant sein könnten.

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Recordable DVD

DVD –R ist definitiv im Aufwärtstrend: Der Rohlingverkauf soll sich im nächsten Jahr vervierfachen, der Preis pro Rohling unter 4 $ fallen (Sonderangebote sind ja schon heute um 3 $). Von diesem Trend profitiert natürlich sowohl die Video (Camcorder)-, die Computer-, sowie die Softwareindustrie, da man annimmt, dass die meisten Rohlinge zur Speicherung von Heimvideos verwendet werden. Im Gegensatz zur Musikindustrie glaubt man nicht an einen privaten Piraterieboom im Videobusiness. An der NAB war jedoch nicht auszumachen, ob sich im Grabenkrieg DVD-R kontra DVD+RW etwas bewegt hat, umsomehr als es sich um "Konsumentenformate" handle.

Den Hemmschuh für einen kometenhaften Erfolg der selbstgebrannten DVD sehen Markanalytiker zwar noch im enormen Zeitaufwand, den eine selbstgebrannte DVD erfordert. USA Today titelte "DVD = Difficult, Very Difficult". Da wäre erst einmal der Schritt vom Video-Rohmaterial zu einem einigermassen ansehnlichen Endprodukt. Doch nun muss dieser fertig geschnittenen Videofilm ins MPEG-2 Format konvertiert werden, was (momentan) drei bis viermal so lange dauert, wie das Ausgangsmaterial lang ist (also 10 Minuten DV werden in ca. 35 Minuten in MPEG-2 verwandelt). Doch dann sollte die DVD auch noch mit einem ansprechenden Menü und anwählbaren Kapiteln ausgestattet werden. Natürlich gibt es Software, die diese Arbeit erleichtert, doch die einzusetzende Zeit ist immer noch gross.

Für den Mac ist die Freeware iDVD, die Hand in Hand mit iMovie arbeitet, die ideale und relativ einfach zu handhabende Lösung für den Heimanwender, während auf dem PC die Sonic Software MyDVD (US$ 99.00, jedoch oft gratis im Bundle mit dem momentan etwa 500 US$ teuren internen DVD-Brenner) die Nase vorn haben soll.

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Royalty free Music & Video

Immer mehr Firmen und Kleinbetriebe stellen ihre eigenen Videos auf DVDs her. Um das oft selbstgedrehte Bildmaterial etwas aufzupeppen, benötigt man in vielen Fällen zusätzliche Videoclips und vor allem Hintergrundmusik. Damit man nicht mit dem Copyrightgesetz in Konflikt kommt, muss man nun eben Musik und Videoclips kaufen, deren Weiterverwendungsrechte man mit dem Kauf erwirbt. Deshalb gibt es immer mehr Firmen, die solche "Royalty free Music & Videoclips" anbieten.

Dadurch entsteht jedoch ein neues Problem: Gewisse Musik resp. einige Clips sind so gut, dass man sie nun allenthalben hört resp. überall wieder sieht. So geschehen mit Clips der Firma Digital Juice, Spezialistin für Hintergrundvideos für eigene Titelkreationen. Und da die Royalty free CDs und DVDs nicht eben günstig sind, sehe ich hier eine Chance für Komponisten und Musiker mit Heimstudios (also unsere Leser!).

Hands-on Seminare für Final Cut Pro 3 und DVD Studio Pro 1.5 von Apple waren auch dieses Jahr ein Riesenerfolg.

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Software

Apple hatte den Hauptstand in die Südhalle verlegt und war da in bester Gesellschaft mit Avid, Digidesign, Microsoft usw. Neben der Konsumentenvariante iMovie2/iDVD2 war natürlich die professionelle Lösung mit Final Cut Pro 3 und DVD Studio Pro 1.5 die meist beworbene Kombination. Die Möglichkeiten sind vielfältig, die Handhabung (verhältnismässig) einfach, doch wird auf diesem Gebiet noch einiges auf uns zukommen. Um die Messebesucher von der einfachen Handhabung und den Möglichkeiten ihrer Software zu überzeugen, hatte Apple im Sands (also am alten Standort) wiederum einen grossen Schulungsstand mit 30 individuellen Computerplätzen eingerichtet. Die halbstündigen "Hands On Seminars" waren jeweils um 10 Uhr (also kurz nach Saalöffnung) für den Rest des Tages ausgebucht.

Trotz des technischen Grammys, den Apple für "outstanding contributions to the music industry" lassen die OS X kompatiblen Musikprogramme weiterhin auf sich warten.

Dafür war man bei Microsoft überzeugt, einen (weiteren) Meilenstein ins Rollen gebracht zu haben: Unter dem Codenamen "Corona" wurde ein neues Kompressionsverfahren/-Format vorgestellt, das u.a. Streaming von Video und Audio im Internet aber auch das Heimtheater (DVD usw.) revolutionieren soll. Und nicht nur die Demo war überzeugend, auch die Liste der Firmen, die sich als Corona-Unterstützer bekannten ist beeindruckend und lang.

Dass auch kleine Firmen eine Chance haben, wenn die Präsentation ansprechend und überzeugend ist, bewies Hash, Inc. mit Animation Master. Der Vorführer konnte eine enorme Anzahl der umstehenden Zuschauer davon überzeugen, dass sie mit seiner Software (Windows und Mac)auch als absolute Animationslaien in kürzester Zeit unterhaltende bewegte 3D-Bilder erstellen könnten – der Andrang sowie der anschliessende Verkaufserfolg waren riesig.

Synthetik Software präsentierte die Version 2 ihrer erfolgreichen Software Studio Artist (Mac), die in der Lage ist, aus einem normalen Video bewegte Gemälde zu generieren. Wir hoffen in Kürze mehr über diese Software berichten zu können.

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Schöne virtuelle Welt

Hier in den USA sind die "zoom zoom"- Mazda Clips ein Riesenerfolg. Die Firma Discreet zeigte in Echtzeit, wie einer dieser Clips zusammengestellt, editiert, korrigiert und fertiggestellt wurde. Vor Jahren lernte ich, wie man Fotos (für Zeitungen und/oder Ferienprospekte) glaubhaft verändern kann, nun sah ich erstmals, was mit vertretbarem finanziellem und zeitlichem Aufwand im bewegten Bild möglich ist. Was die von Discreet vertriebenen Programme Commotion, TitleDeko Pro, HollywoodFX Pro, Impression DVD Pro (Windows & Mac) können, ist schlichtweg atemberaubend. Natürlich sieht bei Demos alles so einfach aus …

Die schon im allgemeinen unglaubwürdige Werbung wurde für mich nach dieser Vorführung noch einen Schritt unglaubwürdiger.

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Schlussgedanken

Es gab natürlich noch viel mehr zu sehen an dieser grössten Electronic Media Show, z.B. eine neue DV-Norm mit höherer Auflösung, eine neue Art Radioübertragungen zu digitalisieren und damit Mittelwelle in UKW-Qualität und UKW in CD-Qualität übertragen zu können (erfordert relativ geringe Investitionen bei den Sendern, bedeutet jedoch neue digitale Empfänger für den Konsumenten), hochauflösende Videokameras für zukünftige, noch bessere HDTV-Normen, Satellitenempfänger für über 1000 Programme usw. usf.

Bei all den technischen Höchstleistungen kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen: "Wen interessiert's denn überhaupt?" Der Durchschnittsamerikaner schaut zwar täglich vier bis acht Stunden TV, doch über 90 % der Apparate sind alte Analogkisten. Und so lange das Gebotene nicht besser wird, dürften technische Verbesserungen von der Mehrheit ignoriert werden. Man bedenke, dass MP3 – eindeutig qualitativ schlechter als die 16-bit CD Norm mit ihren 44.1 MHz Samplingrate – sich in Windeseile als neue Musikhörform etablierte, während auch heute noch niemand so recht an die der Audio CD qualitativ haushoch überlegene Audio DVD (24/96 im 5.1 oder gar 7.1 Format) glaubt.

Nach drei Tagen in Las Vegas fuhren wir zum Arches National Park und genossen ECHTE Eindrücke und vor allem RUHE.

Christian Hunziker

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