Sibelius - Notations-Software für PC und Mac

Grundsätzliches
Noteneingabe
Layout
Fazit

Ein neuer Stern am Notationshimmel

Notationssoftware kann man grundsätzlich in zwei Kategorien einteilen:

Zum einen sind das die kombinierten Programme, die neben dem eigentlichen Notensatz auch Sequenzer- und Audiofunktionen bieten. Dazu gehören Programme wie Steinberg Cubase VST Score und Emagic Logic.
Auf der anderen Seite stehen die reinen Notationsprogramme, welche sich ausschliesslich der Notation widmen und in der Regel in diesem Bereich etwas mehr zu bieten haben. Dafür sind die Aufnahme- und Abspielfunktionen auf ein Minimum reduziert und Audio gibt es gar nicht. Solche Programme sind z.B. Finale und die hier getestete Software Sibelius.

Sibelius erhebt den Anspruch, alle Wünsche für den professionellen Notensatz zu erfüllen und das bei einer sehr einfachen Bedienung. Wer sich z.B. schon einmal mit Finale beschäftigt hat, weiss, wie steil die Lernkurve ist. Sibelius soll es einem leichter machen!

Einleitung

Sibelius ist ein Produkt der gleichnamigen Firma Sibelius, welche von den Gebrüder Finn in England gegründet wurde. Dort ist Sibelius denn auch seit einiger Zeit der Inbegriff des professionellen Notensatzes.
Da das Programm in der Anfangszeit zunächst nur auf sogenannten Acron-Computern lief, war es nicht sehr weit verbreitet und nur wenigen Anwendern zugänglich. Seit ca. 3 Jahren ist Silbelius durch die Portierung auf Windows und Macintosh weltweit einem grossen Anwenderkreis zugänglich gemacht worden. Mittlerweile wurde das Programm auch ins Deutsche übersetzt und steht mir in der Version 1.22 zum Test zur Verfügung.

Sibelius wird auf CD geliefert, auf der sich beide Versionen für PC und Mac befinden. Als Kopierschutz dient eine Registrierungsnummer, die man vom jeweiligen Landesvertrieb erhält. Bei uns ist das die Firma M3C aus Berlin. Nach der erstmaligen Installation läuft das Programm 5 Tage ohne Registrierung. Nach Ablauf dieser Frist sollte man registriert haben, da sich Sibelius ansonsten automatisch auf die Möglichkeiten einer Demoversion reduziert. Hier gibt es dann keine Speichermöglichkeiten mehr.

Sehr gut finde ich, dass sich der Registrierungscode auf einen anderen Rechner transferieren lässt. Haben Sie z.B. zwei Rechner, einen zu Hause und ein Notebook für Unterwegs, können Sie den Registrierungscode transferieren. Dazu gibt es im Menü Datei die Funktion "Registrieren / Transferieren". Das ganze klappt sogar zwischen PC und Mac. So konnte ich z.B. auf meinem PC und auf meinem Mac mit Sibelius ohne Einschränkungen arbeiten.

sibelius

Grundsätzliches

Nach dem ersten Programmstart werden Cubase- und Logic-Anwender das gewohnte Arrangefenster mit den Spuren und Parts vermissen. Sibelius arbeitet ausschliesslich in Notationsform, also direkt auf dem Notenblatt. Das macht auch gleich einiges her. Die Farbe und Beschaffenheit des Notenblattes können frei gewählt werden und man hat das Gefühl, ein echtes Stück Papier vor den Augen zu haben. Bekanntlich isst ja das Auge mit und somit ist diese Darstellungsart von Sibelius wesentlich mehr als nur ein optisches Highlight. Von Anfang an kommt sofort Freude auf und die Lust ein professionelles Notat zu erstellen wird gefördert.

Am oberen Bildschirmrand befinden sich die Pull-Down-Menüs und direkt darunter gibt es eine Werkzeugleiste mit den wichtigsten Befehlen. Wer diese nicht benötigt, kann sie zu Gunsten von mehr Platz auf dem Bildschirm auch ausblenden.

Ein absolutes Highlight von Sibelius ist der sogenannte Navigator. Der Navigator stellt in einem separaten Fenster, welches in der linken unteren Ecke des Programmfensters zu finden ist (kann aber auch individuell plaziert werden) eine Art Miniaturansicht des kompletten Notats. Innerhalb des Navigators können Sie durch das Anfassen und verschieben eines Fensterbereichs sehr schnell durch das gesamte Werk navigieren.

Eine zentrale Bedeutung für die Noteneingabe hat das sogenannte Keypad, das in Funktion und Aussehen einem numerischen Tastenblock auf der Computer-Tastatur entspricht. Das Keypad kann wahlweise mit der Maus, oder mit dem numerischen Tastenblock bedient werden. Um alle wichtigen musikalischen Funktionen über das Keypad bedienen zu können, gibt es insgesamt fünf verschiedene Belegungen des Keypads. Zwischen diesen können Sie entweder per Maus über entsprechende Symbole im Keypad, oder per Computer-Tastatur mit F8 bis F12 umschalten.

Das war's schon zum Hauptfenster. Alles wirkt sehr aufgeräumt und übersichtlich und man findet sich sehr schnell zurecht. Ein erster dicker Pluspunkt in Bezug auf Anwenderfreundlichkeit.

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Noteneingabe

Sibelius bietet verschiedene Möglichkeiten Noten einzugeben:

Die Mauseingabe: Hier werden Noten direkt mit der Maus in die entsprechenden Notenlinien eingegeben. Dazu wählt man einen gewünschten Notenwert im Keypad (per Tastatur oder Maus) und setzt die Note mit der Maus in die Notenlinien ein. Hierbei ist zu beachten, dass die Takte immer Schrittweise gefüllt werden müssen. Wollen Sie z.B. auf der "2" eines Taktes eine Note setzen und der erste Schlag soll eine Pause sein, so müssen Sie diese Pause setzen.

Schreibmaschine: Diese Eingabeart ist wesentlich schneller als die mit der Maus. Der Notenwert selbst wird über den numerischen Tastenblock gewählt und die Tonhöhe über die Computer-Tasten (c, d, e, f, g, a, b=h, c). Vorzeichen erzeugen Sie über das Keypad, also mit dem numerischen Tastenblock. Pausen werden mit der Leertaste erzeugt.

Um einen Akkord zu schreiben, betätigen Sie die Taste "N". Dadurch wird der zuvor eingegebene Notenwert eine Terz höher wiederholt. Die Tonhöhe dieser Wiederholung lässt sich schnell und sicher mit den Pfeiltasten auf der Tastatur verändern und somit auf das gewünschte Akkordintervall anpassen. Das machen Sie zweimal und schon haben Sie einen dreistimmigen Akkord.

Diese Eingabeart bietet sogar die Möglichkeit, vor der Noteneingabe, Atrikulationszeichen wie Staccato mit einzugeben. Etwas zeitraubend ist aber die Wahl der effektiven Tonhöhe, ob nun z.B. ein C1 oder C2 usw. notiert werden soll. Sibelius bewegt sich hier immer in der zuletzt gewählten Lage. Haben Sie öfters Oktavsprünge, müssen Sie die Tonhöhen korrigieren.

In diesem Zusammenhang gibt es eine weitere Eingabemöglichkeit, die eine angeschlossene MIDI-Tastatur für die Wahl der Tonhöhe vorsieht. Notenwerte werden über das Keypad eingestellt.

noten schreiben

Echtzeiteinspielungen: Natürlich ist es auch möglich ein Notat komplett in Echtzeit wie bei einem Sequenzer einzuspielen. In diesem Zusammenhang gibt es ein paar Arbeitshilfen. Unter dem Namen Flexi-Time verbirgt sich die Fähigkeit von Sibelius leichte Tempo-Abweichungen auszugleichen. Der Grad der Anpassung kann eingestellt werden. Weiterhin ist es mit Flexi-Time auch möglch, von Anfang an einen kleinstmöglichen Notenwert vorzugeben. Eine Art Quantisierung also! Zusätzlich kann Flexi-Time auch bestimmte Triolen beim Einspielen zulassen, oder Staccato-Spielart erkennen. Alles in allem bieten die Möglichkeiten zur Echtzeiteinspielung genügend Freiraum, um ein gut leserliches Notat zu erhalten.

MIDI-File Import: Für MIDI-File Anwender natürlich eine der wichtigsten Eingabeart in Sibelius, ist das Importieren von MIDI-Files. Beim Import braucht man keine spezielle Importfunktion auszuführen, sondern lädt die entsprechende Datei ganz einfach ein. Sibelius erkennt, dass es sich um ein MIDI-File handelt und importiert diese nach eine sehr intelligenten Routine. Das Programm sucht nach Programmwechselbefehlen und wertet diese aus. Weiterhin wird auch der Ton-Umfang ausgewertet und die entsprechenden Spuren sollen dadurch mit den korrekten Notenschlüsseln gezeigt werden. Das funktioniert natürlich nur dann, wenn im MIDI-File die Tonhöhe auch in der richtigen Oktavlage ist. Das ist nicht immer so, da manchmal z.B. eine Melodiestimme in einer anderen Oktavlage vorhanden ist, wie sie eigentlich notiert werden sollte. Der Grund: Im MIDI-File wird eine andere Lage gespielt da hier Sound XY einfach besser klingt.

Ansonsten hat man schnell aufgeräumt und ein MIDI-File leserlich dargestellt. Über die Funktion Stimmenauszug können die gewünschten Stimmen selektiert werden. Akkordsymbole lassen sich über das Notat setzen usw.

Eines muss man jedoch ganz klar sagen: Um aus einem MIDI-File ein lesbares Notat zu machen, muss man immer Hand anlegen und das MIDI-File bearbeiten. Es gibt kein einziges Programm auf dem Markt, welches durch das reine Importieren eines Files ein perfektes Notat erzeugt. Das liegt schon an der Sache selbst, da es halt Unterschiede zwischen gespielter und notierter Musik gibt. Wie soll z.B. ein Programm wissen, wann eine Wiederholung oder ein DaCapo oder DalSegno kommen soll und wann eine Note Staccato oder Legato gespielt wird usw. Wer sich diesem Umstand nicht bewusst ist, oder hier einfach Unmögliches erwartet, sollte die Finger vom professionellen Notensatz lassen.

Scan-Import: Eines der am häufigsten geforderten Features ist das Scannen von Noten. Sibelius bietet dieses Feature in Zusammenarbeit mit der mitgelieferten Software Photoscore Lite. Diese ist in der Lage gedruckte Vorlagen zu analysieren und in Notenschrift umzusetzen. Allerdings werden Text, Bögen, Cresendo, Artikulationen und Wiederholungen nicht berücksichtigt. Lediglich das reine Notenmaterial. Das schränkt natürlich den Einsatz ein. Für alle, die ganz professionell scannen möchten, gibt es PhotoScore auch in einer Profiversion. Allerdings muss man für die 700 Mark hinlegen.

Auch in den Eingabearten kann man Sibelius grosse Flexibilität bescheinigen. Besonders die gelungene Einbindung der Computertastatur ermöglicht ein sehr schnelles und sicheres Eingeben von Noten. Ich kann nur jedem empfehlen, so oft wie möglich mit der Tastatur des Computers zu arbeiten und die Maus wirklich nur in Notfällen zu benutzen.

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Layout

Geradezu begeistert haben mich die Layout-Funktionen. Alles was Sie mit Sibelius notieren oder importieren, sieht von Anfang an gut aus. Sibelius verteilt das Notat immer gut leserlich auf den einzelnen Seiten. Schalten Sie z.B. von Hochformat auf Querformat um, so wird das komplette Notenbild blitzschnell umformatiert und Nachbearbeitungen wie das lästige Schieben von Notensystemen entfallen.

In vielen Arrangements stören leere Notensystem, weil ein Instrument gerade pausiert. Sibelius gestattet es, leere Notensysteme sogar in Klavier-Doppelsystemen auszublenden.

Ein weiteres Highlight ist, dass Sie an jeder beliebigen Stelle zwischen z.B. einfachen Systemen und Doppelsystemen umschalten können; somit können schnell und einfach gewisse Passagen voll ausnotiert und andere Passagen z.B. als Leadsheet geschrieben werden.

Die Layoutfunktionen bietet auch die Möglichkeit bei einem Stimmenauszug aus einer Partitur z.B. Wiederholungsbefehle wie Köpfe in die einzelne Stimme zu übernehmen, obwohl diese in der Partitur nur einmal gesetzt sind, für alle Systeme.

Auch der Druck erfüllt höchste Ansprüche. Und Sibelius ist auch in der Lage, das Notenbild in gängige Grafikformate wie EMF, BMP, PICT und EPS usw. zu exportieren.

Seine besondere Stärke entfaltet Sibelius bei der Erstellung von komplexen Partituren. Eine stattliche Anzahl von vorgefertigten Stimmen/Instrumenten mit den entsprechenden Notenschlüsseln und Transponierungen lassen sich auswählen und in Partituren zusammenstellen. Hier werden die einzelnen Stimmen dann automatisch richtig angeordnet. Das spart sehr viel Zeit, wenn man komplexe Arrangements zu Papier bringen möchte. Entfernt man z.B. eine Stimme aus der Partitur, formatiert Sibelius das Notenblatt entsprechend, ohne dass man nochmals Hand anlegen müsste.

Scorch

Das Internet spielt auch unter Musikern eine immer wichtigere Rolle. Aus diesem Grund wurde von Sibelius die Erweiterung Scorch entwickelt, die übrigens auch ohne Sibelius läuft. Scorch ist eine Erweiterung für Ihre Internetzugangssoftware (Internet Explorer oder Netscape). Wer Scorch installiert hat, kann Sibelius Files, die ins Internet gestellt wurden, abspielen und sogar transponieren. Die Handhabung ist ganz einfach. Sie müssen Scorch lediglich von der Sibelius Homepage downloaden. Diese Erweiterung installieren (geht über ein Installationsprogramm voll automatisch), Ihre Internetsoftware neu starten und das war's. Wählen Sie nun eine Internetseite mit Sibelius Dateien an, können Sie sich diese vorspielen lassen und haben auch die Möglichkeit, diese Notate zu transponieren. Dafür öffnet sich automatisch das Scorch Bedienfeld in Ihrer Internetzugangssoftware. Scorch-fähige Sibelus Dateien finden Sie auf der Sibelius Homepage. Im Grunde genommen ist aber jeder Sibelius User in der Lage Notate ins Netz zu stellen, welche dann über Scorch hörbar gemacht werden können. Wie gesagt, um Scorch zu verwenden, müssen Sie nicht zwangsläufig Sibelius besitzen. Scorch erweitert vielmehr die Möglichkeiten Ihrer Internetzugangssoftware.

Sehr erfreulich ist, dass die Sibelius Notate, welche mit Scorch wiedergegeben werden können, sehr wenig Speicherplatz benötigen. Das hat zur Folge, dass diese Dateien ohne lange Ladezeiten in Ihrem Internet-Explorer erscheinen.

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Der Unterschied

Ein grundlegender Unterschied zwischen Sibelius und einem kombinierten Programm wie z.B. Cubase VST Score besteht darin, dass Sibelius am Notenlayout orientiert arbeitet, ein Sequenzer jedoch an einem Raster orientiert ist. Wollen Sie z.B. in Sibelius auf die Zählzeit "3u" eine Achtelnote plazieren, so müssen Sie zunächst die vorangehenden Schläge mit Pausen füllen. Das gleiche gilt auch für zweistimmige Passagen. Eine sporadisch erscheinende zweite Stimme muss von Anfang an durch Pausen mitgeführt werden. Diese Tatsache hat den Nachteil, dass man in Sibelius manchmal etwas mehr Aufwand bei der Eingabe betreiben muss. So können Sie eine Note z.B. nicht einfach auf einen anderen rhythmischen Wert verschieben. Die ursprüngliche Note muss gelöscht und neu gesetzt werden. Der grosse Vorteil bei der Arbeit auf grafischer Ebene ist, dass das Notenbild nicht verschoben wird, wenn Sie irgendwo innerhalb eines Notates etwas ändern. Viele Anwender von Cubase VST und Logic wissen um den Umstand, dass durch das einfache Einsetzen einer Note unter Umständen das gesamte Notat verschoben wird und das mühselig erstellte Layout zum Teufel ist.

In Sibelius fehlen grundsätzlich Sequenzerfunktionen und z.B. die Möglichkeit die Anschlagsstärke der eingegebenen Noten zu beeinflussen. Somit klingt sämtliches notiertes Material nicht sehr lebendig. Sibelius bietet dafür eine intelligente Wiedergabefunktion. Unter dem Namen Expressivo verbirgt sich ein Abspiel-Algorithmus, der bei der Wiedergabe des Songs Phrasierungen und Betonungen selbständig hinzufügt. Der Wirkungsgrad ist einstellbar und die Ergebnisse sind wirklich verblüffend. Weiterhin gibt es noch ein Playback-Lexikon. Mit diesem kann die Wirkung der musikalischen Symbole auf das Abspielergebnis eingestellt werden. Hier können sehr viele musikalische Zeichen Wirkung auf die Wiedergabe haben. E ist sogar möglich mit Bezeichnungen wie "Pizz" einen Programmwechselbefehl in diesem Fall auf einen Pizzicato-Streicher zu erzwingen.

Erwähnt sei noch, dass Sibelius beim Abspielen automatisch "swingen" kann. Der Grad lässt sich frei wählen und aus einem gerade Notierten Stück wird beim Abspielen ein Swing.

Fazit

Die vielfältigen Möglichkeiten von Sibelius in diesem Bericht durchzusprechen ist nicht möglich, da dies den Umfang mit Sicherheit sprengen würde. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Sibelius kaum Wünsche offen lässt.
Sibelius gehört zweifellos zu den besten professionellen Notensatzprogrammen. Im Gegensatz zu seinem Hauptkonkurrenten Finale glänzt Sibelius durch eine einfache Bedienung, ohne den Funktionsumfang zu reduzieren. Sibelius ist für U-Musiker genauso gut geeignet wie für Klassiker, da niemand auf wichtige Features in seinem Bereich verzichten muss.

Christian Deinhardt

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