Country rules!


Nein, es handelt sich hier nicht um Regeln, die man in ländlichen Gebieten der USA einhalten muss! Der Titel wäre auf Deutsch zwar umständlicher, jedoch unmissverständlicher: "Countrymusik regiert!"

Wer in den USA in städtischen Gebieten wohnt (und die meisten Leute tun das), hat eine unmenge Radiostationen zur Verfügung, mindestens eine für jeden erdenklichen Geschmack. Natürlich wird jede musikalische Präferenz abgedeckt: Pop, Rock, Oldies, Country, Klassisch, Jazz, Rap usw., doch gibt es auch Radiostationen, die sich auf das gesprochene Wort konzentrieren: Nachrichten, Bibellesungen, Unterhaltungsklatsch, Filmkritiken und dergleichen.

Die meisten Musikstationen werden durch Werbung finanziert, die bis zu 50 % der Sendezeit ausmachen kann; doch gibt es ein paar wenige, die neben ein Werbedurchsagen ("This hour was made possible in part by …") vorwiegend dank Hörerspenden resp. freiwilligen Mitgliederbeiträgen existieren können.

Die Rechnung ist einfach: Je dichter die Bewohner, desto mehr Werbeeinnahmen/Hörerspenden, desto mehr Radiostationen. Denn kaum verlässt man die Agglomerationen, muss man froh sein, überhaupt noch einen Sender empfangen zu können. Das wurde mir auf meiner letzten Fahrt "über Land" so richtig klar.

Für Europäer ist es kaum vorstellbar, welche Distanzen man in den USA auf Autobahnen zurücklegen kann, ohne auf Zeichen von Zivilisation zu stossen. Und wenn es heisst, dass die nächste Tankstelle 100 Meilen (= 160 km) entfernt sei, ist es ratsam, schnell einen Blick auf die eigenen Benzinreserven zu werfen.

Doch zurück zum Radioempfang unterwegs: Etwa 10 Meilen nach den letzten Siedlungen wird der Empfang des eingestellten Senders immer schwächer und bricht dann ganz ab, was einen unweigerlich veranlasst, der Sendersuchlauf zu aktivieren. Meist findet dieser eine einzige Station, und diese strahlt (ausnahmslos!) Countrymusik aus. Noch nie habe ich so viel über Countrymusik "gelernt" wie auf unserer 7tägigen Reise durch Südutah und Arizona. Ich hatte schon früher mal gehört, dass Garth Brooks, Faith Hill oder die Dixie Chicks mehr CDs verkauften als Michael Jackson oder Elton John, dass die Country-Industrie wesentlich grösser ist, als die Pop/Rock-Industrie. Doch die grossen Countrystars sind in den ländlichen Gegenden gar nicht so populär, gehören sie doch schon zu einer Art Pop-Elite. Dafür gibt es hunderte von Country Sängerinnen, Sängern und Bands, von denen man auf "Nicht-Country-Stationen" nie etwas zu hören bekommt. Und nun konnte ich ihnen nicht entfliehen, konnte nur zwischen Ruhe oder Country wählen.

Ich muss gestehen, dass keine andere Musikart besser zu den faszinierenden Landschaften gepasst hätte; und wenn man sich nicht allzusehr auf die meist faden Texte konzentriert (Macho in Bar kann die schöne Blonde nicht vergessen und bestellt sein xtes Bier; Variante 1: Mann auf Pferd kann die schöne Blonde nicht vergessen und kippt deshalb einen Whiskey; Variante 2: Mann in Lastwagen denkt zurück an die schöne Blonde, hat jedoch Alkoholverbot …) findet man sogar echte musikalische Perlen. Und das Angebot an guten Sängerinnen und Sängern (und ich meine wirklich GUTEN!) ist riesig. Dazu kommt, dass – im Gegensatz zu Pop-Produktionen – Countrylieder viel länger überleben und auch nach Jahren noch gespielt werden.

Nein, ich bin nach den sieben Tagen Zwangscountry nicht zum Fan dieser Musik geworden, doch ich verstehe nun, wieso diese Volksmusik in den USA so viel populärer ist als jede andere Musikrichtung.

Christian Hunziker

©1999-2002 www.musicfarm.org - Alle Rechte vorbehalten.