Band in a Box (Software für PC/Mac)

band in a boxSchon viel wurde über die Software "Band in a box" (Orchester in der Schachtel) geschrieben, und doch kennen nur wenige Musiker diese hilfreiche und preiswerte Software.

Vor Jahren begann Peter Gannon an der Westküste Kanadas mit der Entwicklung dieser Begleitsoftware, damals noch für den Atari. Heute gibt es bereits die Version 9 (vorderhand nur für Windows-Benützer). Als Mac-User musste ich mich noch mit der Version 8 zufrieden geben, da die Mac-Adaption immer etwa sechs Monate später erscheint.

Grundprinzip

In alle Details von Band in a Box (Biab) eingehen zu wollen, würde viel zu weit führen. Der Urgedanke war und ist es, dem Solisten einen variationenreichen Begleitautomaten zur Verfügung zu stellen, eben das Orchester in der Schachtel. Im Laufe der Jahre wurden nicht nur die Möglichkeiten des Begleitautomaten immer raffinierter, es kamen auch Notation und ein Sologenerator hinzu. komposition

Das Hauptfenster von Biab wurde so oft mit Funktionen erweitert, dass es in der Version 8 recht unübersichtlich wirkt.

Begleitautomaten gibt es mittlerweile viele (gute und weniger glaubwürdige), doch nach wie vor ist Biab einzigartig: Die Akkord-Chiffrierungen werden in einem Schema eingetragen, danach der gewünschte Rhythmus/Style und das Tempo gewählt – und in Windeseile errechnet der Computer eine Begleitung, der Drummer zählt an und ab geht's. Selbstverständlich gibt es automatisch Variationen in der Bridge und in den (mengenmässig veränderbaren) Improvisations-Choruses, und auch einen Schluss generiert Biab nun recht ordentlich. Für Perfektionisten ist auch alles dem persönlichen Geschmack anpassbar.

Für jeden, der auf seinem Soloinstrument gezielt üben will, ohne die übrigen Bandmitglieder zu stapazieren, bietet Biab die ideale Alternative: das nimmermüde Begleitorchester.

Altlasten

Die ersten Versionen von Biab beschränkten sich auf Swing- und Jazz-Rhythmen, und auch heute finde ich, dass der/die Programmierer diese Styles am besten beherrschen. Die mitgelieferten Songs kommen heute allerdings aus allen Stilrichtungen, wenn auch die amerikanischen Standards überwiegen. Die Styles sind zwar alle gut programmiert, jedoch qualitativ nicht vergleichbar mit den reichhaltigen Arrangements in Keyboards wie dem KN-6000 von Technics oder dem PSR-9000 von Yamaha.

Was man haben muss

Neben dem Computer benötigt man entweder eine Soundkarte resp. Quicktime-MIDI, oder besser ein externes GM-Modul mit Abhöre. Wer ein komplexeres MIDI-Setup hat, muss auf dem Mac mit OMS arbeiten (wie lange gibt's das wohl noch?).

Natürlich ist die Klangqualität von GM-Modulen nicht jedermanns Sache, doch geht es hier auch nicht um studioreife Vorproduktionen, sondern um Übungshilfen.

Tutorial

Biab wird auf CD geliefert. Neben der Installations-CD liegt auch eine Tutorial-CD bei, auf der alle Neuerungen in Quicktime Movies gezeigt und erklärt werden. Dies ist eine echte Hilfe, auch wenn ich ab und zu über die Qualität dieser Tutorials schmunzeln musste: Die Stimme des Vorführers geht oft im (scherbelnden) Klang des Demosongs unter. Doch das Ziel, dem User die neusten Möglichkeiten auf einfache Art aufzuzeigen, wird erreicht.Drum

Im neuen Drum Window können sämtliche Percussionsinstrumente (sofern von GM unterstützt) mit der Maus "gespielt" werden.

Äusserlichkeiten

Dies ist die erste Mac-Version von Biab, die das Hauptfenster automatisch der Bildschirmgrösse anpasst. Endlich! Das starre Postkartenformat war echt nervend. Dass sich Biab immer noch nicht an alle Mac-Konventionen hält was die Tastaturbelegung betrifft, muss man leider akzeptieren: Das Programm wird von einem Winowsspezialisten entwickelt und anschliessend auf den Mac portiert. Schade finde ich, dass man (wie in vielen Programmen heute üblich) sich nicht eigene Tastaturbefehle schaffen kann. "Quickeys" kann hier zwar Abhilfe schaffen (die Tastaturzuweisungen der "Action Menus" funktionieren nicht!), doch wäre eine eingebaute Möglichkeit wesentlich eleganter, umso mehr sich gewisse Befehle an die US-Tastatur halten ("Wo sind denn die eckigen Klammern auf der CH- oder D-Tastatur? Ah hier!" Doch da tut sich nichts!).

Auch vom Design her ist Biab nicht eine jener Software, die durch eine klare Grafik besticht. Zuviel wurde im Nachhinein neu eingebracht, musste unbedingt auch noch per Button bedient werden können. Doch was soll's. Wenden wir uns lieber den zusätzlichen Goodies zu.

Ideenlieferant

Mit dem Melodist steht in Biab ein neues, fast beängstigendes Werkzeug zur Verfügung: Ein Melodien-Generator! Wir können definieren, in welchem Stil, in welcher Art wir eine Melodie,Notation nein, ein ganzes Stück, generiert haben wollen – innert weniger Sekunden nach dem Mausklick spielt uns Biab die neuste Kreation vor. Ich war echt erleichtert, als die definitive Brauchbarkeitsquote "nur" bei etwa 10 % lag (Komponisten werden schon so immer weniger gefragt), doch die Grundlagen für neue Ideen, für die Initialzündung so zu sagen, kann Biab auf alle Fälle liefern.

Ich benötigte für ein Homevideo eines Freundes ein 4-Minuten-Stück in Soft-Pop Manier, kannte seine Vorliebe für Earl Klugh – und hatte innert 10 Minuten in Biab ein Grundgerüst, auf dem ich dann im Logic aufbauen konnte. Biab ist also ein idealer Ideenlieferant mit einer relativ guten Trefferquote; und da man innert Sekunden ein neues Stück generiert hat, kann man mit den errechneten Kompositionen recht grosszügig umgehen.

Lernsoftware

Im Mai fand ich auf dem Vibe.net einen Hilferuf: Ein Vibraphonist musste in einem BigBand-Konzert ein Solo spielen, hatte jedoch keine Ahnung, wie er das angehen sollte und kannte nur die Harmonien – ein Fall für Biab! Nach dem Eintippen der Harmonien kann man im Solist den Stil, ja sogar den Musiker wählen, nach dessen Vorbild man solieren möchte und Biab generiert ein Solo z.B. in der Art Lionel Hamptons, Milt Jacksons oder Gary Burtons – um nur die Vibraphonisten zu erwähnen. Dass dieses Solo bearbeitet (quantize, humanize usw. usf.) und sogar als Notation ausgedruckt werden kann, ist nur einer der Supermöglichkeiten von Biab. Die Veränderung des Tempos macht es auch möglich, mit dem Solisten zu spielen und sich das Solo übers Gehör einzuverleiben.

Doch auch die Analyse eines Charly Parker- oder John Coltrane-Solos ist enorm spannend und lehrreich und erweitert den Horizont für eigene Ideen.

Gitarre inklusive

Dass die eingetippten Akkorde auf einer Tastatur zu sehen sind (so wie sie gespielt werden, war schon lange Bestandteil von Biab. Nun können jedoch auch gleich noch die Gitarrengriffe gesehen werden: Eine Gitarrentabulatur in einem eigenen Fenster zeigt, wo die entsprechenden Akkorde wie gegriffen werden und im Solo, wo und wie die Töne auf dem Gitarrengriffbrett liegen.

Mit meinen Erwähnungen habe ich nur an der Oberfläche von Biab gekratzt. Doch die übrigen Details sollen Sie selber entdecken – es lohnt sich!

Fazit

Die 88 US$, die das Vollprogramm inkl. (400 seitigem, englischem) Handbuch kostet (die deutsche Version ist nur über Deutschland erhältlich), sind dermassen "konsumentenfreundlich", dass ich (trotz einiger Einschränkungen in Erscheinung und Handhabung) Band-in-a-Box vorbehaltlos zur sofortigen Anschaffung empfehle, und zwar für alle, die sich aktiv mit Musik beschäftigen, sei es als Begleitband zum täglichen Üben, sei es als Ideenlieferant, oder als Lernhilfe beim Erarbeiten der Unterschiede einzelner Styles und Rhythmen.

Christian Hunziker

Band-in-a-Box im Internet: www.pgmusic.com

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