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Stereo-Mikrofone für Video – Vergleichstest

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Kriterien
Die Kandidaten
Resultate
Persönliche Gedanken

Gleich vorweg

Dies ist kein wissenschaftlich fundierter Vergleichstest mit genauen Messungen, Frequenzkurven, Richtdiagrammen und dergleichen. Dies ist ein reiner Praxistest, bei dem viele Ohren und eine gute Portion Erfahrung zum Einsatz kamen.

Seit über 10 Jahren mache ich nun Videodokumentationen. Im Laufe dieser Zeit wurde nicht nur die Bildqualität verbessert: Aus den anfänglich zwei Consumer-Camcordern wurden (dank dem Zusammenschluss mit MacOnly) vier bis fünf semi-professionelle Kameras, die interessante Bildkompositionen und -schnitte ermöglichen.

Unsere Miniklinken-Kandiaten

Nur der Ton war und blieb ein «Problem». Zwar arbeitete ich von Anfang an mit einem externen Mikrofon und versuchte auch bald die Automatik der Kamera zu umgehen.
Später kamen bessere (teurere) Mikrofone dazu – doch gerade bei Konzertmitschnitten blieb der Ton unser Sorgenkind. (Für einen perfekten Sound hätten wir einen Tonmann anheuern müssen, und das liegt in unseren Arbeits-Budgets schlicht nicht drin.)

Auf der Suche nach der besten Möglichkeit entstand dieser Vergleichstest von Mikrofonen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Wichtigste Bedingung: Sie mussten eine saubere, frequenzmässig ausgeglichene Stereoaufnahmen in grossen (meist halligen) Räumen ermöglichen.

Unsere One Point Kandidaten

Kriterien

Die Mikrofone wurden nicht auf ihre Studiotauglichkeit (Aufnahme mit Close Miking von Streichern, Bläsern oder Sängern usw. unter idealen Bedingungen) getestet. Es ging ausschliesslich um einen möglichst sauberen Stereo-Audiotrack bei einer Videoaufnahme in einem Raum, z.B. beim Mitschnitt eines Konzerts (Chor, Big Band, Rock) oder einer Theateraufführung (Sprachverständlichkeit).

Da wir während den Aufnahmen mit unseren Kameras beschäftig sind, sollte das Mikrofon, einmal optimal eingepegelt, ohne ständige Überwachung gute Resultate bringen – eine grosse Dynamik mit möglichst geringem Grundrauschen ist gefragt.

Die «Matched Stereo Pairs»

Testanordnung

Der Sony VX-2000E Camcorder, immer noch ein zuverlässiges «Arbeitspferd» mit solider Tonaufzeichnung, hat keine XLR Eingänge. Deshalb verwenden wir (normalerweise) ein BeachTek DXA-4 (das leider nicht über Phantompower verfügt). Doch da zusätzlicher Ton seit einiger Zeit auf ein Marantz PMD660 aufgezeichnet wird, wurde dieser «Professional Solid State Recorder» auch in diesem Test verwendet. Nur drei Mikrofone, die ausschliesslich mit Miniklinke ausgestattet sind, wurden direkt in der Kamera getestet.
Zusätzlich zu den Aufnahmen in den Marantz wurden alle XLR Mikrofone auch via Apogee Duet (vergl. MusicFarm-Testbericht) mittels Peak Pro 6 (Test der neusten Version in Arbeit) direkt auf die Festplatte meines Power Macs aufgezeichnet.
Alle Aufnahmen erfolgten in 16Bit/48kHz (wie in Video üblich). Jedes Mik erhielt den genau gleichen Audiokontent gefüttert (ab CD über eine anerkannte Studioabhöre):
Ausschnitte aus einer Oper, einem Konzert mit Cello und Harfe, einem Hörbuch (männliche Stimme) und last but not least aus «Hotel California» von den Eagles.

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Die Kandidaten (alphabetisch)

Über die Links finden Sie technische Daten und andere Informationen.
Da die Preise weltweit grosse Unterschiede aufweisen, gebe ich nur ungefähre Listenpreise in CHF an.
Informationen über ORTF- und XY-Stereophonie findet man in Wikipedia.

MXL 603s (matching stereo pair)

ORTF-Stereo

Set mit 2 Mikrofonen
2 Spinnen
2 einfachen Windschutzkappen
in gepolstertem Aluköfferchen
ca. 490 CHF

Hersteller

Vertrieb Schweiz

Røde NT4

XY-Stereo (90°)

In Kunststoffkoffer mit Halterung
Windschutzkappe
5-Pol-XLR auf 2x 3-Pol-XLR-Kabel
5-Pol-XLR auf Stereoklinken-Kabel
ca. 780 CHF

Hersteller

Vertrieb Schweiz

Røde Stereo VideoMic

XY-Stereo (90°) nur Miniklinke, Test auf Kamera

in Kartonschachtel
mit «Dead Kitten» Windschutz
benötigt
9V Batterie
ca. 350 CHF

Hersteller

Vertrieb Schweiz

Schoeps MSTC 64 U

ORTF-Stereo

in mit blauem Formschaumstoff ausgelegter Holzschatulle
mit einfacher Kunststoffhalterung
ca. 5500 CHF

Hersteller

Vertrieb Schweiz

sE4 (matching stereo pair)

ORTF-Stereo

Set mit 2 Mikrofonen
2 Spinnen
Stereoschiene
in Schaumstoff ausgekleidetem Aluköfferchen
ca. 700 CHF

Hersteller

Vertrieb Schweiz

sE4400 (matching stereo pair)

ORTF-Stereo

Set mit 2 Mikrofonen
2 Spinnen
Stereoschiene
in Schaumstoff ausgekleidetem Aluköfferchen
ca. 2000 CHF

Hersteller

Vertrieb Schweiz

Sennheiser MKE 44 P Stereo Microphone

XY-Stereo (90˚)

nicht mehr im Programm
ca. 1100 CHF

Info Musik-Service

Vertrieb Schweiz (PDF)

Sony ECM-999PR

XY-Stereo

90°- 120°- 150°
Musik/Sprache Schalter

Älteres Modell.
Keine relevanten Informationen im Web gefunden

Sony ECM 959A

XY-Stereo

90°- 120°
nur Miniklinke, Test auf Kamera

in Schaumstoff ausgelegtem Kunststoffetui
mit Halterung und Tischständer

Älteres Modell
Keine relevanten Informationen im Web gefunden

Soundman OKM II Klassik mit Verstärker A3

Kunstkopf-Stereo

nur Miniklinke, Test auf Kamera

in Holzschatulle mit Ersatzbatterie und Ersatz-Schaumstoffabdeckungen
ca. 330 CHF

Hersteller

Vertrieb Schweiz

Hörtests

Es ist ganz klar, dass Hörtests persönlich gefärbt und subjektiv ausfallen. Der Preis (obgleich enorm unterschiedlich) sollte beim Hörtest keine Rolle spielen. Deshalb wurden die Mikrofone nummeriert und «blind» gehört.

Bei den Kameratests (Miniklinkenmikrofone) wurde die Aussteuerungsautomatik benutzt, während sowohl beim Marantz als auch beim Duet manuell ausgesteuert wurde. Dabei erwies sich das Duet nicht nur wesentlich übersteuerungssicherer als das Marantz, die Aufnahmequalität war durchwegs dynamischer und rauscharmer (besserer Mik Vorverstärker (?) und Top-Wandler).

Die Aufnahmen wurden vor dem Abhören in Peak lautstärkenkorrigiert.

Es wurden – wie schon eingangs erwähnt – keine Messungen durchgeführt. Für die Beurteilung wurden diverse, unabhängige Testpersonen (Konsumenten und Audioprofis) bemüht.

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Resultate

Mikrofone mit Miniklinke

Die Aufnahmen direkt in die Kamera (Sony VX-2000E) waren durchs Band weg Klassen schlechter.

Am wenigsten schlecht schnitt das Røde Stereo VideoMic ab (Einstellung am Mik -10dB!), jedoch nur, wenn es etwas abseits auf einem separaten Ständer montiert war. Auf der Kamera (wo es ja eigentlich hingehörte) schnappte es leichte Störgeräusche (vom Motor?) auf. Zum Glück hatte ich eine 9V Batterie im Haus, denn ohne eine solche läuft beim Røde Stereo VideoMik gar nichts – auch wenn der Mik-Ausgang des Camcorders «powered» ist.
Idee und Ausführung beim Røde sind beeindruckend – schade, dass es in unserem Test nicht überzeugender abschnitt.

Beinahe gleichauf konnte sich das Sony ECM 959A behaupten, ohne Störgeräusche, jedoch mit höherem Rauschpegel. Das ECM 959A war mein erstes Stereomik, das ich anfänglich mit meinem Minidisk Recorder verwendete.

Das eingebaute Kamera-Mik wirkt zwar undifferenziert, ist jedoch für Ambiente-Aufzeichnungen durchaus brauchbar, um so mehr es «einfach da» ist.

Totaler Aussenseiter war der Soundman: Als einziges Mikrofon mit Kugelcharakteristik war es ohnehin nicht ideal für unseren Test. Die vorgeschlagene Verwendungsart als Kunstkopfmikrofon im Ohr hat (zumindest für mich) enorme Nachteile, da ich ja nicht immer in die gleiche Richtung schaue und sich die Klangcharakteristik mit jeder Kopfdrehung ändertändert. Und auch die Stöpsel sitzen auf die Dauer recht unangenehm im Ohr.
Wir versuchten auch noch andere Methoden, wie z.B. Kunstkopf-Imitationen, improvisierte Ständer usw., doch das Resultat war nicht ermutigend – leider. Zudem war der Ton ohne den beiliegenden Vorverstärker besser als mit: Der höhere Pegel liess den eingebauten Compressor/Limiter pumpen, war jedoch nicht hoch genug für den Linien Eingang.
Ich könnte mir aber vorstellen, dass der Soundman bei Ambiente-Aufnahmen im Freien gute Resultate liefert.

Mikrofone mit XLR Buchsen

Die Resultate der Aufnahmen im Marantz Recorder und via Duet deckten sich mehr oder weniger (abgesehen von den oben erwähnten generellen Unterschieden):

Die Bezeichnung Testsieger und Referenzmikrofon darf ohne Zweifel das Schoeps für sich in Anspruch nehmen. Kein anderes Mikrofon zeichnete ein so lineares, unverfälschtes Bild aller noch so unterschiedlichen Quellen auf. Auch wenn man im direkten Vergleich bei der einen oder anderen Passage im ersten Moment einem Mitbewerber den Vorzug gegeben hätte, merkte man bei mehrfachem Umschalten, dass z.B. die «transparenteren Höhen» nicht wirklich dem Original entsprachen. Unsere Ohren lassen sich eben noch schneller übertölpeln als unser Gaumen – und wir mussten uns immer wieder am Original orientieren.
Natürlich bezahlt man für diesen Qualitätsluxus auch einen hohen Preis! Aber der exponentielle Preisanstieg in der Profiklasse ist ja allgemein bekannt.

Auf die Qualifikation «sehr gut» einigten wir uns bei vier Kandidaten, die recht nahe beieinander lagen:

Platz 2, mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis, einem ausgeglichenen Klang und durch seine Konstruktion einfach im Handling, belegte das NT4 von Røde, dessen Klang einigen Testern sogar besser gefiel, als der des Schoeps. Nur wenige Ohren bemerkten oder bemängelten die klar schmalere Stereobasis.
Auf alle Fälle ist das NT4 ein aussergewöhnlich ausgewogener Allrounder zu einem hervorragenden Preis.
Einen kleinen Bonuspunkt erhielt das NT4 noch, weil es sich sowohl mit Phantompower als auch mit einer 9V Batterie betreiben lässt, was unserer BeachTek Anordnung (siehe oben) Rechnung tragen würde. (Wer dies tut, sollte allerdings immer eine 9V Reservebatterie dabei haben.)

Die folgenden drei Mikrofonpaare hatten es etwas schwerer in unserem Vergleich, da das Handling doch eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielt: Während man sowohl beim Schoeps als auch beim Røde nur EIN Mikrofon optimal auf die Schallquelle ausrichten muss, ist bei Mikrofon-Paaren (auch wenn sie aufeinander abgestimmt sind) eine Stereoschiene unabdingbar (wird bei den zwei sE Kandidaten mitgeliefert, fehlt jedoch beim MXL Set). Um ein sauberes Stereobild zu erhalten, sollten sowohl der Winkel (110°) als auch der Abstand der Kapseln (laut ORTF-Norm 17 resp. 17.5 cm) eingehalten werden. Der genaue Winkel lässt sich mit einer Schablone schnell einstellen. Der Abstand kann jedoch sowohl bei den sE4 als auch den MXL – konstruktionsbedingt – nicht perfekt eingehalten werden, da sich die Mikrofon-Enden resp. die XLR-Stecker/Kabel gegenseitig behindern. Die Montage ist also ungemein komplizierter als bei wirklichen Stereomikrofonen.

Auf Platz 3 rangierten wir das Stereopaar sE4400: Dieses äusserst vielseitige Mik, dessen Konstruktion offensichtlich das AKG C414 als Vorbild hatte (separater Vergleichstest in Arbeit), wurde nur in der Nieren-Einstellung getestet. Klanglich ausgeglichen und recht natürlich. Ausgezeichnetes dynamisches Verhalten, hoher Ausgangspegel, geringes Rauschen.

Für Platz 4 waren die Meinungen geteilt, deshalb vergeben wir den ex aequo: Klanglich sehr nahe beisammen sind die sE4 und die MXL603 Stereopaare. Während das sE4 Paar die Bässe sauberer wiedergab, glänzte das MXL Paar mit transparenten Höhen, die jedoch z.B. beim Cello zu übertrieben wirkten.
Im Marantz Recorder rauschten die MXL wesentlich stärker als die sE4, im Duet war der Unterschied nicht auszumachen (kein Rauschen).
Die MXL sind mit 82 g/Mik Fliegengewichte verglichen mit den sE4, die immerhin 280 g/Mik auf die Waage bringen.

Völlig abgeschlagen und enttäuschend – wenn auch aus unterschiedlichen Gründen – waren das Sony ECM999PR und das Sennheiser MKE44P. Gerade von letzterem hatte ich mir wesentlich mehr erhofft, waren doch meine Sennheiser Erfahrungen über all die Jahre immer recht positiv ausgefallen. Das MKE44P klingt nach feuchtem Karton und ist viel zu mittig.
Das Sony ECM999PR dagegen ist extrem spitz, direkt grell mit fehlenden Bässen. Es drängte sich die Vermutung auf, dass dieses schon oft im Einsatz gestandene Mikrofon einen Defekt erlitt.

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Persönliche Zusatzgedanken

Natürlich ist die Präsentation eines Produkts schon der halbe Verkauf, vor allem, wenn die Konkurrenz gross ist. Ob Holzschatulle oder Aluköfferchen ist eigentlich egal. Trotzdem kann ich es nicht lassen, ein paar Punkte zu erwähnen:

Gefreut habe ich mich, dass beiden sE Mikrofonpaaren eine Stereoschiene beiliegt (vermisste ich beim MXL), doch dass sich die mitgelieferten Spinnen nur mit grösster Mühe auf diese Schienen schrauben lassen, hat mich dann wieder geärgert.

Super ist beim sE4 Koffer, dass bereits Platz für weitere (separat zu erwerbende) Kapseln vorhanden ist (vergleiche Schoeps weiter unten).

Bei den MXL Miks hatte ich Mühe, die Klemmvorrichtung der Spinnen genügend auseinander zu drücken, damit ich die Miks einschieben konnte. Am Schluss war es mir zu blöd und ich verwendete meine eigenen Klemmspinnen.

Aber auch beim Schoeps habe ich zu meckern: Wenn schon so viel Geld für ein Mikrofon (ja, ja, der Spitzenklasse!) hingeblättert wird, hätte man als Kunde Anrecht auf eine gedämpfte Aufhängung, nicht nur eine Kunststoffhalterung. Und auch wenn man dann nochmals 170 CHF für eine solche hinblättert, passt sie nicht mal mehr in die Holzschatulle, muss also noch separat transportiert (und vergessen) werden.
Überhaupt wäre es schön, wenn man beim Schoeps anstelle der «edlen» Holzschatulle einen (weniger edlen) Alukoffer wählen könnte, der es gestatten würde, zusätzliches Zubehör zu transportieren.

Nichts auszusetzen habe ich am Lieferumfang des NT4: Gut verpackt ist alles da, sogar ein zusätzliches Klinkenkabel.

Fazit

Eigentlich ist ein Fazit gar nicht notwendig, denn die Hörresultate sagen alles. Dass Qualität ihren Preis hat, wurde auch in diesem Test wieder mal bestätigt. Ebenfalls die Einsicht, dass auch «günstige» Mikrofone etwas taugen können.

Christian Hunziker

(Anderer Ansicht? Wunderbar! Aber behalten Sie die nicht für sich, sondern lassen Sie andere auch daran teilhaben. Für eine E-Mail-Replik zu diesem Artikel, klicken sie hier).

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